Die Bekämpfung des Steuerbetrugs ist ein Ziel, das durch die Richtlinie 2006/112/EG anerkannt und gefördert wird. Folglich lehnen die polnischen Steuerbehörden das Recht auf Vorsteuerabzug ab, wenn aufgrund objektiver Prämissen bewiesen wurde, dass der Steuerpflichtige bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte wissen können, dass die Transaktion, durch die er die Ware erwarb, dem Umsatzsteuerbetrug diente. Bis dato hatten die Behörden keine eindeutigen Richtlinien, um entscheiden zu können, ob das gegebene Subjekt diese erforderliche Sorgfalt anwandte.
Das Finanzministerium veröffentlichte 2018 das Dokument „Methodik zur Beurteilung der Anwendung der erforderlichen Sorgfalt von Steuerpflichtigen, die innerpolnische Warenerwerbe bewirken” (nachstehend: „Methodik“). Hierbei handelt es sich um ein Werkzeug, das bei der Beurteilung der Anwendung der erforderlichen Sorgfalt von Steuerpflichtigen genutzt wird, die innerpolnische Erwerbe bewirken, für die sie eine Rechnung mit dem Betrag der Umsatzsteuer erhalten. Wusste der Steuerpflichtige nicht, dass der Warenerwerb im Zusammenhang mit einem von einem anderen Subjekt begangenen Betrug organisiert wurde, sollte ihm das Recht auf Vorsteuerabzug nicht aberkannt werden, sofern er die erforderliche Sorgfalt walten ließ.
Zu beispielhaften Maßnahmen, die in der Methodik erwähnt werden, zählt man die Prüfung, ob der Verkäufer:
- im Landesgerichtsregister (auf Polnisch: Krajowy Rejestr Sądowy) oder im polnischen Zentralregister für die Gewerbetätigkeit natürlicher Personen (auf Polnisch: Centralna Ewidencja i Informacja o Działalności Gospodarczej) registriert ist (sofern eine solche Registrierung erforderlich ist),
- als aktiver Umsatzsteuerpflichtiger registriert ist,
- erforderliche Konzessionen und Erlaubnisse hinsichtlich der verkauften Waren hat,
- über Vertreter verfügt, die eine entsprechende Vollmacht besitzen, in seinem Namen zu handeln.
Laut Methodik sollten folgende Bedingungen der Transaktion beim Erwerber Zweifel hervorrufen:
- In der Transaktion tritt kein Wirtschaftsrisiko auf (wenn z.B. Lieferant A dem Erwerber B einen weiteren Verkauf an den von sich gewählten Erwerber C anbietet, wobei Erwerber C für die Waren zahlt, bevor Erwerber B dem Lieferanten A für die Waren zahlt).
- Der Lieferant schlägt vor, die Preise der Waren bei Barzahlung zu mindern oder er bietet an, die Transaktion künstlich in Zahlungen unter 15 000 PLN einzuteilen.
- Der Lieferant fordert separate Zahlungen für den Nettobetrag und den Umsatzsteuerbetrag auf verschiedene Bankkonten (dies betrifft Zahlungen im Rahmen des Split-Payment-Verfahrens nicht).
- Der Preis der angebotenen Waren weicht ohne ökonomische Begründung deutlich vom Marktpreis ab.
- Der Lieferant bietet branchenfremde Waren an.
- Der Kontakt mit dem Lieferanten erfolgt auf eine Misstrauen erweckende Weise (z. B. durch die Nutzung einer „verdächtigen“ E-Mail-Adresse).
- Die vom Lieferanten angeforderte Zahlungsfrist ist kürzer als die Frist, die von anderen Lieferanten derselben Branche angeboten wird.
- Der Lieferant hat keine Internetseite oder keinen für die Art und den Umfang seiner Wirtschaftstätigkeit geeigneten technischen Hintergrund.
Die in der Methodik angegeben Maßnahmen tragen wesentlich zur Anwendung der erforderlichen Sorgfalt bei. Es gilt aber zu betonen, dass die Steuerbehörden auch andere Umstände der Transaktion und andere vom Steuerpflichtigen ergriffene Maßnahmen berücksichtigen können.
Andererseits ist festzustellen, dass die Nichtergreifung solcher Maßnahmen nicht automatisch zur Folge hat, dass der Steuerpflichtige das Recht auf Vorsteuerabzug verliert. Wenn dieses Recht in Frage gestellt wird, kann der Steuerpflichtige auch auf andere Weise beweisen, dass er die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen.