Das Oberste Verwaltungsgericht Polens hat dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Verwendung von Tankkarten zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Die Rechtssache (I FSK 63/16), in der das Vorabentscheidungsverfahren eingeleitet wurde, betraf eine österreichische Gesellschaft, die Fahrzeuge von der Fabrik zu Kunden transportiert hat. Mit dem Transport der Fahrzeuge durch Polen wurde eine verbundene polnische Gesellschaft beauftragt. Die Fahrzeuge wurden mithilfe von auf den Namen des Fahrers ausgestellten Tankkarten betankt. Aus organisatorischen Gründen sowie im Hinblick auf die Höhe der Kosten wurden alle Transaktionen mittels solcher Tankkarten zentral durch die österreichische Muttergesellschaft abgewickelt und an Tochtergesellschaften in verschiedenen Ländern – darunter in Polen – weiterbelastet.
Die österreichische Gesellschaft hat die Tankkarten der polnischen Gesellschaft zur Verfügung gestellt. Am Ende des jeweiligen Monats stellte die österreichische Firma an die polnische Gesellschaft eine Gesamtrechnung für alle Transaktionen mit Tankkarten (diese Rechnungen umfassten die Kraftstoffkosten Netto und eine 2%ige Gebühr – sog. admission fee) aus, während die polnische Gesellschaft eine Gesamtrechnung an die österreichische Firma für die Erbringung der Transportleistungen ausstellte. Gemäß den vertraglichen Vereinbarungen umfassten die Transaktionen mit Tankkarten u.a. die Kontaktaufnahme und Preisverhandlungen mit internationalen Lieferanten, die Finanzgarantie, den Abrechnungsdienst, die vorläufige Finanzierung des Kraftstoffverbrauchs und der Mautgebühren, die Bearbeitung von Anträgen auf Vorsteuererstattung, die monatliche Gesamtabrechnung aller Transaktionen mit Tankkarten unter Berücksichtigung von Rabatten, die Vereinheitlichung des Systems zur Verwaltung von Tankkarten sowie die Vorbereitung von Berichten.
Vor diesem Hintergrund kamen die Steuerbehörde sowie das Wojewodschaftliche Verwaltungsgericht in Warschau zu dem Schluss, dass es hier nicht zu einer Warenlieferung durch die österreichische an die polnische Gesellschaft kommt. Das Gericht war der Auffassung, dass die österreichische Gesellschaft beim Kauf von Kraftstoff mithilfe von Tankkarten eine Finanzdienstleistung an die polnische Gesellschaft erbracht und die polnische Gesellschaft den Kraftstoff direkt von Mineralölfirmen erworben hat. Folglich hat die österreichische Gesellschaft kein Recht auf Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Tankstellen, die den Kauf von Kraftstoffen mit Tankkarten dokumentieren.
Das Oberste Verwaltungsgericht hat an den Europäischen Gerichtshof die Frage gerichtet, ob es sich bei Handlungen wie Zurverfügungstellung von Tankkarten, Verhandlung, sowie Finanzierung und Abrechnung des Kraftstoffs mit Tankkarten um die Gewährung und Vermittlung von Krediten im Sinne von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b Richtlinie 2006/112 des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem handelt, oder ob diese komplexen Handlungen als Reihengeschäfte betrachtet werden sollen, deren Hauptziel die Lieferung des Kraftstoffs ist.
Die Beantwortung der vorgelegten Fragen durch den Europäischen Gerichtshof wird dazu beitragen, Zweifel von Steuerpflichtigen bezüglich des Rechts auf Vorsteuerabzug bei Verwendung von Tankkarten zumindest teilweise auszuräumen.